Erich Schrot war mein Papa. Mein ganzes Leben kannte ich nicht anders, als dass er auf die ein oder andere Art und Weise da war.

Erich war übrigens fast der einzige in unserer Familie, der keinen Doppelnamen hatte. Ach ja, ich heiße übrigens Ella-Mathilde, ohne Mathilde wenn man von oder über mich spricht. Ausgeblendet. Mathilde …..

Erich war immer zur Stelle, wenn er

gebraucht wurde. Ein Helfer eben, ohne lange zu fackeln. Keine Ahnung wieviel Kilometer Erich gefahren war, um uns irgendwo hinzubringen oder abzuholen. Keine Ahnung wieviel Rollen Tapete er bei diversen Umzügen in unseren Wohnungen an die Wand gebracht hatte.

Erich war so ein Gesellschaftstyp. Eine kleine Anekdote hier, eine da. Ein Liedchen gesungen oder gesummt. Meistens brachte er die gleichen Sachen und so lange ich denken kann, lachten die Leute trotzdem immer wieder über seine kleinen Scherze.

Wir lachten manchmal nicht. Nämlich dann, wenn Erich trotz fortgeschrittenen Alters seinen Kopf durchsetzte. Meistens natürlich, wenn keiner im Haus war. Seine kleinen Aktionen waren was das anging immer wohldurchdacht.

Keine Gedanken machte er sich, als er kurz vor Vollendung seines 80. Lebensjahres über eine Holzleiter aus den 30er Jahren in den höchsten Baum im Garten kletterte um dort mit einer Säge die Äste zu beschneiden. Ach ja, damit die Leiter nicht kippte hatte Erich noch ein Frühstücksbrett untergelegt. Nach gefühlt einer Stunde, ein Nachbar berichtete uns von diesem Abenteuer und eine paar abgesägte Äste später, kletterte Erich beschwingt von der Leiter, setzte sich auf die etwas abseits stehende Bank, um erst einmal ein kleines Schläfchen zu machen. Unterschätzt hatte er dabei, dass die Bank am Hang stand. So fand sein Schlaf ein abruptes Ende, als er unsanft in die Wiese plumpste. Auf unsere spätere Frage, was er denn so den Nachmittag verbracht hätte antwortete Erich: „Ach, langweilig war es ohne Euch, ich war etwas in der Wiese….. „.

Seit Erich kein Auto mehr hatte ( den Führerschein hatte er freiwillig abgegeben ) fuhr er liebend gerne Bus. Möglichst ohne Gerlinde-Josefa, damit er besser mit den anderen Fahrgästen ein Schwätzchen halten konnte. Während einer dieser Ausflüge traf Erich den Pfarrer aus dem Nachbardort im Bus. Man kam ins Gespräch und weil es so schön war, stieg Erich einfach mal nicht zu Hause aus ( er erklärte uns später, dass er diese Entscheidung ganz bewusst getroffen hätte ), sondern fuhr mit Herrn Pfarrer bis zu dessen Ausstiegsstation. Draußen schwatzten beide noch eine Weile, bis der Pfarrer sich grüßend verabschiedete und Erich mit einem leichten „oh“ bemerkte, dass der Bus zurück zum Ziel leider bereits abgefahren war. Kein Problem für Erich, mittlerweile 85 Jahre alt. Er ging einfach zu Fuß, oder besser gesagt er ging, soweit er kam. Mitten im Nachbarort gab es eine kleine Dorfkneipe und weil Erich natürlich jeden kannte machte er dort einen Boxenstopp. „Es waren nur ein, zwei Gedecke ( 1 Pils, ein Korn ) „ rief er uns fröhlich entgegen, als wir ihn nach ca. zweistündiger Suche, immer noch im Biergarten sitzend, fanden. Wir hätten schon gerne unseren Ärger kundgetan, aber Erich strahlte uns an mit den Worten: „ nicht aufregen, der kleine Erich ist groß und der darf machen WAS ER WILL“. Ende der Geschichte.

Seit einiger Zeit ist Erich nicht mehr bei uns. Unser Erich-Papa, der Beste den es gab.

Ella Glasmann, froh, dass Erich ihr Papa war