Spaziergang am Deich


Als ich wach werde, sehe ich ihn gerade noch um die Ecke verschwinden. Die ganze Nacht hat er mich begleitet. Glaube ich jedenfalls.

…Kühler Nordseewind bläst mir um die Nase. Trotz des schönen Wetters sind  wenig Menschen unterwegs. Vielleicht liegt es daran, dass es noch früh am Morgen ist. Über dem Wasser kommen immer wieder große Gruppen von Zugvögeln auf das Festland zu. Sie haben ihren Weg nach Süden angetreten. Ein sicheres Zeichen, dass der Winter in greifbare Nähe gerückt ist. Lucky hat  großen Spaß daran immer wieder hinter seinem kleinen blauen Ball herzulaufen. Meine Aufgabe ist es den Ball zu werfen, seine Aufgabe den Ball zu holen. Mit einem kurzen, unverkennbaren Lucky-Geräusch legt  er mir den Ball wieder vor die Füße. Ich sehe  ihm gerne zu. Wenn er läuft fliegen seine langen Collie-Haare im Wind und ich bin mir fast sicher, dass er lacht, wenn er mir entgegenläuft. Das Ende unseres Spiels bestimmt wie immer mein Hund.

In kurzer Entfernung hat  Lucky einen anderen Hund gesehen. Das ist sein Moment. Kopf ausschalten, Ohren zu und laufen. Direkt zu dem anderen Hund. Sich freuen, den anderen begrüßen und spielen. Das ist sein Plan. Ich stehe da und denke, hoffentlich will dieser andere Hund das auch. Doch sein Besitzer winkt mir entwarnend zu. Alles o.k. Die beiden Hunde flitzen über den Strand auf die nahe gelegene Wiese und wieder zurück. Und noch einmal von vorne.

Ich merke, dass ein Lächeln auf meinem Gesicht ist. Es ist schön, die Tiere so glücklich zu sehen. Was ein wunderschöner Morgen. Langsam gehe ich weiter, wohl wissend, dass mein Hund gleich hinter mir herkommen wird. Schon höre ich ihn und laut bellend kommt er auf mich zu. Die Schafe am Deich gehen erschreckt schnell ein Stück höher. Lucky jedoch rennt einfach an ihnen vorbei, überholt mich und legt mir wieder den blauen Ball vor die Füße. Gebückt steht er vor mir, Kopf unten, Hinterteil oben und knurrt mich erwartungsvoll an. Diesmal schieße ich, aber er steht im Weg. Ich schieße noch einmal und der Ball rollt zwischen seinen Beinen hindurch. Schnell dreht er sich um und hat ihn. Sein ungerades Gebiss hält den Ball fest. Wir kommen an einer Bank vorbei, auf die ich mich setzte und ein wenig die Sonne genieße. Lucky dreht sich um und schiebt sein Hinterteil zwischen meine Beine. Das liebt er. Es heißt kraul mich. Natürlich tue ich das und eine Weile verbringen wir so.

Ein Mann mit einem anderen Hund kommt vorbei und kurzfristig muss ich meinen Hund an die Leine nehmen. Wir gehen weiter und Lucky spielt mit der Leine. Wieder mit seinem unverwechselbaren Geräusch, dass er macht, wenn er richtig Spaß hat. Als wir den Mann ein Stück hinter uns gelassen habe, lasse ich ihn wieder frei laufen. Wieder fliegen viele Vögel über uns hinweg. Es sind Hunderte, die ihren Weg in die Wärme suchen. Ich schaue ihnen eine Weile hinterher. Ich gehe weiter und sehe, dass mein Hund sehr weit vorgelaufen ist. Er läuft den Deich hinauf, dass darf er eigentlich nicht. Ich rufe ihn, laut und oft. Lucky läuft einfach weiter. Oben auf dem Deich bleibt er stehen und sieht mich kurz an. Er dreht sich um und läuft auf der anderen Seite den Deich herunter. Als ich dort oben ankomme sehe ich ihn nicht. Vor mir liegt die weite Nordsee, ruhig heute,  Sonne spiegelt sich in ihren Wellen. …

Ich werde wach und sehe meinen Traum gerade noch um die Ecke verschwinden. Ein Traum, der mich nicht nur in dieser Nacht begleitet hat. Ein Traum, der lange Zeit Wirklichkeit war.