Und im Wohnzimmer leuchtete der Weihnachtsbaum
… gleich würde sie aufstehen. Sie würde sich waschen, die Zähne putzen und sich dann in die warme Küche setzen. Martha lag wach im Bett und tausend Erinnerungen gingen ihr durch den Kopf. Sie
war mittlerweile 60 Jahre alt. Die Zeiten hatten sich geändert, das Leben hatte sich geändert. Weil es noch so früh war, schloss sie die Augen, um die Bilder in ihrem Kopf noch einmal zu
einem Film werden zu lassen…..
Schnee fiel. Die Fenster in der Küche zierten kleine Eisblumen, weil es sehr, sehr kalt war. Der alte Ofen, auf dem oben gekocht und unten geheizt wurde stand in der Ecke des Raumes. Mama kam
gerade durch die Tür. In der Hand den Schüttbehälter gefüllt mit schwarzen Eierkohlen. Sie füllte mit der alten Schüppe ein paar Kohlen in den Ofen und machte mit einem Blatt der Tageszeitung
Feuer. Sofort breitete sich wohlige Wärme aus.
Martha saß auf der Eckbank aus Holz, die die Zeichen der Zeit nicht verbergen konnte. Die roten Kissen darauf hatte Mama selbst genäht. Eine groß-geblümte Tapete schmückte die Wände und die
weißen in die Jahre gekommenen Möbel machten den Raum gemütlich. Heute war Weihnachten. Marthas Lieblingstag. Heute war alles anders. Papa war nicht zu sehen, die Wohnzimmertür verschlossen
und es würde nicht lange dauern, bis der Duft von frisch gebratenen Kaninchen durch das Haus zog. Mama war an Heiligabend fast den ganzen Tag in der Küche, braten, kochen, backen und
zwischendurch gab es auch noch heißen Kakao. Martha liebte dieses beschäftigte Treiben und die ganz besondere Stimmung.
Marthas Bruder Peter war schon draußen. Sie konnte durch die leicht beschlagenen Fenster sehen, wie er gerade mit dem Schlitten die Wiese hinterm Haus heruntersauste. Die blaue Wollmütze war
selbst gestrickt, genauso wie die dicken Socken, die sie beide trugen. Martha zog sich an und flitzte durch die Waschküchentür raus. Der kleine Holzschlitten stand angelehnt an der Wand und
ruck zuck hatte sie die Kufen mit einer roten Kerze, die extra dafür immer in dem Topf neben der Tür lag, eingewachst. Jetzt hatte der Schlitten die richtige Geschwindigkeit und die nächsten
zwei Stunden fuhren sie und Peter abwechselnd sitzend oder auf dem Bauch liegend immer wieder die Wiese herunter. Irgendwann waren die Hände kalt, die Füße nass, die Gesichter knallrot und
die Finger fast steif gefroren. Die nassen Klamotten wurden unten mehr oder weniger im Waschkeller aufgehängt und die Schuhe mit Zeitungspapier ausgestopft. Oben in der Küche roch es bereits
ganz wunderbar nach Mamas Essen. Vor der Eckbank standen schon zwei Einer mit warmen Wasser in die Martha und Peter ihre kalten Füße stellten und das war etwas, was richtig weh tat. Der heiße
Kakao und, weil heute ja Weihnachten war, eine kleine Dose mit Keksen ließen den Schmerz der auftauenden Füße schnell vergessen.
Es wurde langsam dunkel und ruhig in den Straßen. An jedem Heiligabend hatte man das Gefühl, dass die Welt zur Ruhe kommt. Ein Tag von vielen und doch legte sich spätestens am Nachmittag ein
heimeliger Schleier über das Land. Hinter den Fenstern leuchteten immer mehr Lichter und hier und da waren bereits wunderschöne Weihnachtsbäume zu sehen. Nun war es auch schon Zeit für den
Weihnachtsgottesdienst. Papa kam aus dem Wohnzimmer und zusammen fuhren alle zur Kirche, die bis auf den letzten Platz besetzt und mit einem strahlenden Weihnachtsbaum geschmückt war. Martha
und Peter hörten nicht wirklich hin, was der Pastor sagte. Als jedoch alle aufstanden und „Oh du fröhliche“ sangen, war wirklich Weihnachten. Draußen wurde den Nachbarn, Freunden und
Verwandten noch eine frohe Weihnacht gewünscht und dann ging es heim.
Da standen sie nun. Mama, Peter und Martha, die vor Aufregung rote Wangen hatten. Irgendwann läutete ein Glöckchen und die Tür zum Wohnzimmer ging auf………
Martha öffnete die Augen. War das schön gewesen. Weihnachten in einer anderen Zeit. Keine Hektik, kein Telefon, keine Weihnachtsbäume schon Wochen vor dem Fest. Für jeden ein Geschenk, Schnee
im Winter, Kälte, heiße Getränke und….
….. im Wohnzimmer leuchtete der Weihnachtsbaum
Gabi Wißmann (Montag, 09 November 2015 07:49)
Hallo meine Liebe.....eine tolle Sache hast du hier erscheinen lassen. Schön, dass wir alle an deinen wunderbaren Geschichten teilhaben dürfen. Gaaaanz liebe Grüße